Tiere in der Literatur des Mittelalters---
animaliter

StartseiteProjektbeschreibung Tiere Bibliographie Links Aktivitäten Kontakt

Projektbeschreibung:• English Version Version française

Projektbeschreibung

Ziel des Projektes

Langfristiges Ziel des Projektes ist die Zusammenführung des bestehenden Wissens über die Darstellung, Bedeutung und Funktion von Tieren in den Literaturen des europäischen Mittelalters in Form von alphabetisch nach Tieren geordneten Lexikonartikeln.

Daraus ergeben sich eine Reihe von Funktionen, die das zukünftige Tierlexikon haben soll. Zum einen soll das Lexikon elementare Findebuch-Funktionen erfüllen, indem es die relevanten Textstellen, in denen das jeweilige Tier eine zentrale Rolle spielt, erschließt und auf bereits vorhandene Lexikonartikel und einschlägige Literatur verweist. Zum anderen dient das Lexikon der Zusammenführung, Aufarbeitung und Fortführung der bisherigen Forschung, indem es bei den gut erforschten Tieren den aktuellen Forschungsstand (ggf. mit knapper Skizze der Forschungsgeschichte) zusammenfasst bzw. bei den weniger gut erforschten Tieren Pionierarbeit zu leisten hat. Hauptfunktion des Lexikons ist aber die Katalogisierung der Darstellungsformen, Bedeutungen und literarischen Funktionen von Tieren, differenziert nach den einzelnen Philologien, wobei auch den Gattungsunterschieden Rechnung getragen werden soll.

Mit dieser Konzeption richtet sich das Lexikon vor allem an Mediävist(inn)en und Literaturwissenschaftler(innen), aber auch an Vertreter(innen) anderer Disziplinen (Kulturgeschichte, Kunstgeschichte, Buchwissenschaft, Kulturanthropologie etc.), die sich wissenschaftlich solide einen raschen Überblick über die literarische Darstellung, Bedeutung und Funktion von Tieren in der mittelalterlichen Literatur verschaffen wollen.



Warum ein Tierlexikon?

Ob Architektur, Alltagskultur, Buchillustration, Heraldik, Namengebung - Tiere sind in der mittelalterlichen Welt omnipräsent. Auch in der mittelalterliche Literatur genießen Tiere besondere Aufmerksamkeit: als Fortbewegungsmittel (z.B. Pferd), als treuer und dankbarer Begleiter (z.B. Yvains/Iweins Löwe), als Kampfgegner (z.B. Drache). Sie zieren Helm und Schild als Wappentiere. Als Traumsymbole prophezeien sie die Zukunft oder deuten sie die Gegenwart der menschlichen Protagonist(inn)en (man denke an die Tierträume im Rolandslied, im Tristan, im Nibelungenlied). Oft dienen sie als Metaphern und Vergleiche der Veranschaulichung menschlicher Eigenschaften und Handlungen (Kampfeskraft des Löwen, Gesangstalent der Nachtigall). Manchmal sind sie auch nur Teil der Szenerie (die Vöglein auf der Linde, der Wolf in der Waldeswildnis). Diese wenigen Beispiele mögen vorerst genügen, die literarische Bedeutsamkeit von Tieren in ihrer ganzen Bandbreite zu illustrieren.

Ohnehin gelten die Tiere im für das Mittelalter charakteristischen Zeichendenken als Träger einer zweiten (allegorischen) Bedeutung, da sie als Teil der von Gott geschaffenen Natur und über die ihnen von Gott verliehenen Eigenschaften (Proprietäten) auf ihren Schöpfer und die Heilsgeschichte verweisen. Der Entschlüsselung der Tierbedeutungen, eben der Tierallegorese, ist im Mittelalter eine eigene Textgattung gewidmet: das Bestiarum, das sich in Tradition und Kontext des spätantiken Physiologus entwickelt hat. Ebenfalls eine genuin mittelalterliche Gattung ist das Tierepos (Ecbasis captivi, Ysengrimus, Roman de Renart und seine mhd., mndl. und mnd. Nachfolger), das seine Bausteine der Tradition der Tierfabel entnimmt, die sich im Mittelalter ebenfalls großer Beliebtheit erfreut. In seiner Begeisterung für die Tierfabel wird das Mittelalter nur noch von Humanismus und Aufklärung übertroffen. Mit den Cyrillusfabeln schafft sich das Mittelalter sogar einen eigenen Fabeltypus.

Mit diesen Eckpunkten wird deutlich: Das Tier ist in der mittelalterlichen Literatur ein Sinnträger von ganz besonderer Intensität und Qualität. Insofern es dem Menschen in der Hierarchie des Seienden besonders nahesteht, unterscheidet sich das Tier von vergleichbaren Sinnträgern (wie z.B. Pflanzen und Edelsteinen, Zahlen und Farben) grundsätzlich durch seine Fähigkeit, den menschlichen Protagonist(inn)en mittelalterlicher (und nicht nur mittelalterlicher) Literatur als handelnde Figur zur Seite (oder gar – wie in der Tierepik – an ihre Stelle) zu treten. Das Tier – das haben bereits zahlreiche Einzelstudien gezeigt (siehe Forschungssituation) – ist ein zentraler Schlüssel für das Verständnis mittelalterlicher Literatur.

Um die Darstellung, Bedeutung und Funktion von Tieren in der mittelalterlichen Literatur annähernd vollständig zu beschreiben, bietet sich die Wahl des Lexikonformats an; denn das auf Exemplarität festgelegte Handbuch könnte allenfalls relevante Ausschnitte aus dem gesamten Komplex bereitstellen. Angesichts der Fülle und Vielfalt der Formen und Funktionen literarischer Verwendung von Tieren, angesichts der Fülle und Vielfalt der literarischen Texte, die dazu in den Blick genommen werden müssten, ist diese Aufgabe von einem Einzelnen allein auf keinen Fall zu leisten. Um einen hohen wissenschaftlichern Standard zu gewährleisten, müssen die einzelnen Artikel bzw. Artikelteile von dafür besonders ausgewiesenen Expert(inn)en verfasst werden.

Zurück nach oben


Forschungssituation

Es gibt bisher kein Lexikon, das die Darstellung, Bedeutung und Funktion von Tieren in der mittelalterlichen Literatur umfassend, interdisziplinär und mit wissenschaftlichen Anspruch erschließt. Bisher existierende Tierlexika decken in der Regel nur einen Teilbereich ab. Relativ gut lexikographisch erschlossen ist der Bereich der christlichen Tiersymbolik und die Tiere der Heiligen. Auch der Bereich der Fabeltiere ist bereits, auch in populärwissenschaftlich ausgerichteter Literatur, durch Lexikon- bzw. Handbuchartikel ganz gut erschlossen
. In den engeren Umkreis des geplanten Lexikons fallen, insofern sie auch die erzählende Literatur des Mittelalters berücksichtigen, RUDOLF SCHENDAs "ABC der Tiere" (1995), KAREN DUVEs und THIES VÖLKERs "Lexikon berühmter Tiere" (1997) und "The mythical zoo" von BORIA SAX (2001) [Für die genauen bibliographischen Angaben siehe Bibliographie]. Diesen drei Lexika ist ein folkloristischer Ansatz eigen: Sie berücksichtigen ein weites Feld an Literatur und anderen Medien, werten aber damit die mittelalterliche Literatur, der unser vornehmliches Interesse gilt, nur unsystematisch und unzureichend aus. Überdies haben sie gemeinsam, dass sie sich weniger an wissenschaftliche Fachkolleg(inn)en wenden, sondern vornehmlich eine breitere Öffentlichkeit als Publikum anzielen. Dies hat zur Folge, dass auf einen streng wissenschaftlichen Apparat verzichtet wird.

Auch in den sonst fachlich einschlägigen Lexika findet man Artikel zu Tierthemen sowie zu einzelnen Tieren (z.B. "Lexikon des Mittelalters", "Reallexikon für Antike und Christentum", "Lexikon für Theologie und Kirche", "Lexikon der christlichen Ikonongraphie"). Die Auswahl der Tiere ist hier zum Teil allerdings sehr rigide, der Aufbau der Artikel oft uneinheitlich und von unterschiedlicher Qualität. Dennoch zeichnen sich diese Lexika dadurch aus, dass die Verfasser der Artikel namentlich genannt sind und weiterführende Literaturhinweise gegeben werden.

Neben all diesen enzyklopädisch angelegten Werken, die für das geplante Tierlexikon wertvolle Vorarbeit leisten, gibt es eine Reihe von Überblickswerken, einführenden Handbüchern und Katalogen, die das Thema „Tier“ in weiter Perspektive oder exemplarisch abhandeln und dabei das Mittelalter einschließen.

Daneben gibt es eine Fülle von Spezialstudien zum „mittelalterlichen“ Tier, die aufzuarbeiten und zusammenzuführen sich lohnen würde. Das geplante Tierlexikon kann sich demnach auf eine außerordentlich breite Basis von Forschungsliteratur stützen. Unsere im Aufbau begriffene Bibliographie-Datenbank lässt bereits erkennen, dass eine Zusammenführung der nahezu uferlosen Spezialliteratur in Form einer Bibliographie und eine Auswertung in Form eines Lexikons Not täte. Und außerdem wird deutlich: Ein interdisziplinäres Lexikon zu Darstellung, Bedeutung und Funktion von Tieren in der mittelalterlichen Literatur ist ein echtes Desiderat.

Zurück nach oben



Wissenschaftskontext

Das hier intendierte Projekt gehört in den weiteren Kontext der von FRIEDRICH OHLY begründeten Bedeutungsforschung. Das geplante Lexikon wäre insofern eine sinnvolle Ergänzung zum "Lexikon der mittelalterlichen Zahlenbedeutungen" von HEINZ MEYER und RUDOLF SUNTRUP, dem Edelsteinkatalog in der entsprechenden Monographie von ULRICH ENGELEN sowie dem von HEINZ MEYER, RUDOLF SUNTRUP und CHRISTEL MEIER-STAUBACH geplanten Farbenlexikon.

Zurück nach oben


Komponenten des Lexikons

Das Lexikonprojekt umfasst zwei (bzw.) Komponenten: den eigentlichen Lexikonteil sowie eine Bibliographie-Datenbank und ggf. ein Verzeichnis der zitierten Textstellen. Die Bibliographie-Datenbank soll – soweit möglich – das gesamte wissenschaftliche Schrifttum zum mittelalterlichen Tier, vor allem zum Tier in der mittelalterlichen Literatur erfassen und über diverse Suchfunktionen zugänglich machen. Der eigentliche Lexikonteil gliedert sich in umfängliche Artikel zu den einzelnen Tieren.

Zurück nach oben


Extension des Lexikons

Zu unterscheiden sind ein Kernbereich (= Minimallösung) und optionale Komponenten (= Maximallösung).

1. Der Kernbereich

Als Kernbereich sollte zunächst – was die beteiligten Philologien angeht – die europäischen Literaturen Berücksichtigung finden, die primär dem lateinischen Kulturkreis verpflichtet sind. Dazu gehören im Einzelnen:
a) die romanischen Literaturen,
b) die keltische Literatur und
c) die germanischen Literaturen.

Darüber hinaus gelten für den Kernbereich folgende Festlegungen:

  • weiter Literaturbegriff (wie in der Mediävistik üblich);
  • Beschränkung auf ca. 100 bis 150 "zentrale" Tiere;
  • Begrenzung auf den Zeitraum zwischen 500 und 1500 (mit Ausblick auf das 16. Jh.).

2. Optionale Komponenten

Als optionale Komponenten kommen die europäischen Literaturen, die dem griechischen Kulturkreis stärker verbunden sind (namentlich die byzantinische und slavische Literatur), sowie die orientalische Literatur in Frage.

Zusätzliche Erweiterungsmöglichkeiten:

  • Mittelalterliche Ikonographie;
  • Einbezug auch weniger gängiger Tiere;
  • Ausweitung auf die Frühe Neuzeit (1500-1800).

Zurück nach oben


Aufbau und Prinzipien des Lexikons

Zu den Grunprinzipien des Lexikons gehört die alphabetische Ordnung. Das Ordnungskriterium bildet das Tier. Da die Artikel zu den einzelnen Tieren verschiedene Philologien umfassen, ist eine Arbeitsteilung erforderlich: Die Artikel werden also aus namentlich gekennzeichneten Abschnitten von Fachgelehrten bestehen. Bei einer so großen Zahl von Beiträger(inne)n ist die gemeinsame Verpflichtung auf ein Homogenitätsprinzip unabdingbar. Angestrebt ist eine relativ homogene Gestaltung der Artikel nach einem einheitlichen Konzept bzw. Raster (siehe: Aufbau eines Lexikonartikels), von dem nur abgewichen werden soll, wenn es von der Sache geboten ist. Darüber hinaus wäre es wünschenswert, wenn die Beiträge zum gleichen Tier untereinander abgestimmt werden und dies bereits durch die Vernetzung der Beiträger(innen) geschieht. Die Endabstimmung obliegt in jedem Fall einer Redaktion. Darüber hinaus soll das Lexikon einem Vollständigkeits- und Qualitätsprinzip verpflichtet sein. Das heißt: Größtmögliche Vollständigkeit und höchste wissenschaftliche Qualität sollten angestrebt werden.
Das Lexikon wird neben dem eigentlichen Lexikonteil selbstverständlich eine Einführung enthalten, in der die Prinzipien, Gestaltung und Funktionen des Lexikons erläutert werden, sowie über ein Abkürzungsverzeichnis, verschiedene Register (z.B. Autoren und Werke, Bearbeiter) und ein Bearbeiter(innen)verzeichnis verfügen.

Zurück nach oben


Aufbau eines Lexikonartikels

Jeder Artikel soll aus drei Teilen bestehen: einem „Kopf“, dem eigentlichen Textteil und dem Literaturteil.

Der „Kopf“ enthält:

  • als Lemma: die heute übliche Tierbezeichnung (dreisprachig);
  • Verweise auf vorhandene Lexikonartikel.

Der eigentliche Textteil ist zunächst unterteilt in Sachgebiete und die einzelnen Philologien:

A. Das reale Tier (enthält einen Abriss zur Existenzweise des Tiers im Mittelalter)

B. Denktraditionen
B.1 – Antike Zoologie
B.2 – Bibel und Bibelexegese

C. Lateinische Literatur

D. Romanische Literaturen
D.1 – Französische und okzitanische Literatur
D.2 – Italienische Literatur
D.3 – Spanische und katalanische Literatur
D.4 – Portugiesische Literatur

E. Germanische (und keltische) Literaturen
E.1 – Nordische Literatur
E.2 – Englische Literatur
E.3 – Niederländische Literatur
E.4 – Deutsche Literatur
(E.5 - Keltische Literatur)


Option I: F. Byzantinische, slavische und orientalische Literatur
F.1 – Byzantinische Literatur
F.2 – Slavische Literatur
F.3 – Orientalische Literatur

Option II: G. Ikonographie (wäre weiter zu untergliedern)

Innerhalb einer jeden Philologie wird – sofern der Sache entsprechend – untergliedert in:

I. Terminologisches

II. Tierkunde/Tierallegorese
1. Physiologus, Bestiarien
2. Enzyklopädik, Tierkunde
3. Gebrauchsschrifttum (z.B. Medizin, Jagdliteratur)

III. Tierdichtung
1. Fabel
2. Tierepos
[ggtf. 3. Tiermärchen, -schwank etc.]

IV. Tiere in der (nicht tier-bestimmten) Literatur
1. Narrative Texte
2. Lyrische Texte
3. Diskursive Texte
[ggf. 4. Dramatische Texte]

[Dieser Bereich ist je nach Bedarf zu untergliedern; dennoch sollte in erster Linie eine Orientierung am Gattungsschema der mittelalterlichen Literatur erfolgen.]

Der Literaturteil enthält – zu Ende der einzelnen Abschnitte, am Ende jeder Philologie – Angaben zur einschlägigen Literatur. Jeder Abschnitt wird namentlich gekennzeichnet.

Unsere ersten Probeartikel-Entwürfe können Sie sich als pdf-Datei ansehen: "Elefant", "Delfin", "Ameise", "Kranich", "Wolf" und "Kamel".

Zurück nach oben


Publikationsform

Selbstverständlich ist es der Traum eines jeden hier mitwirkenden Philologen, einer jeden hier mitwirkenden Philologin, am Ende das Lexikon als gedrucktes Buch in den Händen zu halten. Allerdings ist gerade die Lexikonform hervorragend für eine hypermediale Distributionsform geeignet. Daher wird das Lexikon zunächst als Internet-Publikation (in Kooperation mit dem Kompetenzzentrum für elektronische Erschließungs- und Publikationsformen in den Geisteswissenschaften an der Universität Trier (www.kompetenzzentrum.uni-trier.de) konzipiert.

Zurück nach oben

Inhalt

Ziel des Projekts

Warum ein
Tierlexikon?

Forschungs-
situation

Wissenschafts-
kontext

Komponenten
des Lexikons

Extension des
Lexikons

Aufbau und
Prinzipien des
Lexikons

Aufbau eines
Lexikonartikels

Publikationsform

 


© 2005 Obermaier - Letzte Aktualisierung: 24-Jul-2010 - Impressum